21 Fragen an die Waldorfschule
Wer sich beschließt, sein Kind an einer Waldorfschule anzumelden, hat für gewöhnlich jede Menge fragen. Darum haben wir hier die häufigsten Fragen zusammengefasst und kurz und bündig beantwortet. Um erste Klarheit zu schaffen und einen kleinen Überblick zu geben. Für umfangreiche Informationen steht Ihnen unser Team jeder Zeit gerne zur Verfügung.
Überblick
1. Welche Kinder werden an einer Waldorfschule aufgenommen?
2. Worin unterscheiden sich Waldorfschulen überhaupt von anderen Schulen?
3. Wer war Rudolf Steiner, und was hat er mit der Waldorfpädagogik zu tun?
4. Muss ein Kind künstlerisch begabt sein, damit es für die Waldorfschule geeignet ist?
5. Ist es nicht so, dass hauptsächlich Kinder mit Lernschwierigkeiten auf eine Waldorfschule gehen?
6. Stimmt es, dass Waldorfschulen immer sehr große Klassen haben?
7. Stimmt es, dass es an der Waldorfschule keine Noten und kein Sitzenbleiben gibt?
8. Ohne Noten und ohne Sitzenbleiben: Sind die Kinder dann überhaupt zum Lernen motiviert?
9. Ist Waldorfpädagogik nicht so etwas wie das Vorgaukeln einer heilen Welt?
10. Welche Abschlüsse können an einer Waldorfschule gemacht werden?
11. Ist die Waldorfschule eigentlich teuer?
12. Die Waldorfschulen nennen sich »freie Schulen«. Heißt das, dass die Kinder dort antiautoritär
erzogen werden?
13. Warum haben die Kinder in den ersten acht Schuljahren nach Möglichkeit ein und denselben
Klassenlehrer, dieselbe Klassenlehrerin?
14. Was ist unter »Epochenunterricht« zu verstehen?
15. Kann ein Lehrer/eine Lehrerin in allen Fächern überhaupt qualifiziert unterrichten?
16. Wie werden die Jugendlichen in der Oberstufe auf die Berufswelt vorbereitet?
17. Kommt die Vorbereitung auf die Abschlüsse nicht zu kurz, wenn an der Waldorfschule so viele
Praktika stattfinden, wenn Theater gespielt und handwerklich gearbeitet wird?
18. Werden die Kinder an der Waldorfschule weltanschaulich unterrichtet?
19. Was hat es mit dem Fach Eurythmie auf sich?
20. Welche Rolle spielen die Naturwissenschaften an der Waldorfschule? Und wie stehen die Waldorfschulen zum Umgang mit dem Computer?
21. Was ist, wenn meine Familie umzieht?
1. Welche Kinder werden an einer Waldorfschule aufgenommen?
Waldorfschulen stehen grundsätzlich allen Kindern offen, unabhängig von Religion und ethnischer
Herkunft, Weltanschauung und Einkommen der Eltern. Nach ausführlichen Informations-Elternabenden
findet für jedes Kind ein Aufnahmegespräch an der Schule statt. Auch in höheren Klassen
können SchülerInnen als QuereinsteigerInnen aufgenommen werden.
2. Worin unterscheiden sich Waldorfschulen überhaupt von anderen Schulen?
Waldorfschulen wollen gleichermaßen intellektuelle, kreative, künstlerische, praktische und soziale
Fähigkeiten bei den Kindern und Jugendlichen entwickeln. Alle WaldorfschülerInnen durchlaufen
ohne Sitzenbleiben zwölf Schuljahre. Vom ersten Schuljahr an lernen die SchülerInnen zwei Fremdsprachen.
Gemeinsam besuchen Mädchen und Buben den Handarbeits- und auch den Werkunterricht.
Die ersten zwei Stunden des Schultages erleben die SchülerInnen in Form eines Epochenunterrichtes.
In der achten und zwölften Schulstufe studieren sie ein anspruchsvolles Theaterstück
ein und setzen sich in einer großen Jahresarbeit mit einem Thema ihrer Wahl in Theorie und Praxis
auseinander. Die Fächer Gartenbau und Eurythmie sind fester Bestandteil des Lehrplans.
3. Wer war Rudolf Steiner, und was hat er mit der Waldorfpädagogik zu tun?
Rudolf Steiner ist der Begründer der Waldorfpädagogik. Emil Molt, Besitzer der damaligen Waldorf
Astoria Zigarettenfabrik, gründete mit ihm zusammen die erste Waldorfschule in Stuttgart. Inhalt
und Methode der Waldorfpädagogik beruhen auf Rudolf Steiners Erkenntnissen über die Gesetzmäßigkeiten
der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Neben der Pädagogik fanden Rudolf
Steiners geisteswissenschaftliche Forschungen auch Eingang in die biologisch-dynamische Landwirtschaft,
die Anthroposophische Medizin und die Kunst.
4. Muss ein Kind künstlerisch begabt sein, damit es für die Waldorfschule geeignet ist?
Nein, die Waldorfschule ist eine Schule für alle Begabungsrichtungen. Die neuere Hirnforschung
hat eindrucksvoll belegt, dass Kinder und Jugendliche durch künstlerisches Üben viele Kompetenzen
erwerben, die weit über die unmittelbare Tätigkeit hinausreichen. Wenn WaldorfschülerInnen malen,
zeichnen, plastizieren oder musizieren, geht es daher vor allem um die Schulung diff erenzierter
Wahrnehmungen und die Entfaltung ihres schöpferischen Potenzials; die Begabungen der einzelnen
SchülerInnen werden dabei natürlich berücksichtigt. WaldorflehrerInnen sind bestrebt, den Verstand,
die Kreativität und die Persönlichkeit ihrer SchülerInnen gleichgewichtig zu entwickeln.
5. Ist es nicht so, dass hauptsächlich Kinder mit Lernschwierigkeiten auf eine Waldorfschule gehen?
Ausdrücklich nein. An Waldorfschulen lernen Kinder aller Begabungsrichtungen wie an den staatlichen
Regelschulen auch, nur dass hier neben intellektuellen Fähigkeiten gleichgewichtig auch soziale
und handwerklich künstlerische Fähigkeiten gefordert und gefördert werden. Die individuelle Förderung
von Kindern mit besonderem Assistenz- oder Förderbedarf ist eine wichtige Säule der Waldorfpädagogik,
die entweder in Schulen mit einem inklusiven Konzept oder in heilpädagogischen Schulen
umgesetzt wird.
6. Stimmt es, dass Waldorfschulen immer sehr große Klassen haben?
Das ist von Schule zu Schule verschieden, aber es ist richtig, dass es manchmal größere Klassen gibt.
In vielen Fächern werden die Klassen dann geteilt. Kinder, die sich in einem Fach leichter tun, helfen
denen, die es schwerer haben. SchülerInnen, die ganz besonders schnell auff assen, geben die LehrerInnen
schwierigere Zusatzaufgaben. In einer großen Klasse entsteht durch die Vielzahl der unterschiedlichen
Persönlichkeiten, Temperamente und Eigenschaften der Kinder über zwölf Schuljahre
eine soziale Gemeinschaft, in der die jungen Heranwachsenden aneinander lernen.
7. Stimmt es, dass es an der Waldorfschule keine Noten und kein Sitzenbleiben gibt?
An Stelle der Noten stehen verbale schriftliche Beurteilungen, in denen die LehrerInnen gleichermaßen
auf die Persönlichkeitsentwicklung und die Lernfortschritte ihrer SchülerInnen eingehen.
Es zählt also nicht allein der Wissensstand, sondern die Gesamtentwicklung in einem bestimmten
Zeitraum. WaldorfschülerInnen lernen von der ersten bis zur zwölften Schulstufe in einer stabilen
Klassengemeinschaft, unabhängig vom angestrebten Schulabschluss: Niemand wird unterwegs sitzen
gelassen.
8. Ohne Noten und ohne Sitzenbleiben: Sind die Kinder dann überhaupt zum Lernen motiviert?
Da der Waldorfschulunterricht sehr handlungsorientiert und auf die jeweilige Entwicklungsphase
der SchülerInnen abgestimmt ist, stellt sich dieses Problem nur selten. Eigeninitiative entwickeln
die Kinder und Jugendlichen nicht aufgrund von äußerem Leistungsdruck, sondern aus lebendigem
Interesse und persönlicher Begeisterung für die vielfältigen Unterrichtsinhalte. Diese gestaltet die
LehrerInnen kreativ und lebensnah, so dass sie sich an der persönlichen Erfahrungswelt der Kinder
orientieren und ihnen eigene Erlebnisse vermitteln. WaldorflehrerInnen bereiten sich auf diese anspruchsvolle
pädagogische Tätigkeit an eigenen Seminaren und Hochschulen vor.
9. Ist Waldorfpädagogik nicht so etwas wie das Vorgaukeln einer heilen Welt?
Kommen die Schüler später denn überhaupt mit der harten Realität zurecht?
Die Praxis zeigt, dass gerade WaldorfschülerInnen in der Berufswelt besonders geschätzt werden. In
einer Schule, die nicht nur die intellektuellen Fähigkeiten anspricht, entwickeln sich Schlüsselqualitäten
wie Teamfähigkeit, Kreativität und die Fähigkeit, prozessual zu denken vom ersten Schultag an.
AbsolventInnenstudien¹ zeigen, dass WaldorfschülerInnen in allen Studien- und Berufsfeldern sehr
erfolgreich studieren und arbeiten.
10. Welche Abschlüsse können an einer Waldorfschule gemacht werden?
Die eigentliche Waldorfschulzeit endet nach der 12. Klasse mit dem Waldorfabschluss. Danach gibt
es verschiedene Möglichkeiten sich auf die Matura vorzubereiten. Einige Waldorfschulen bieten
dafür ein 13. Schuljahr an, die SchülerInnen können auch die letzte Klasse einer AHS oder eines BORG
besuchen und dort die Matura ablegen oder aber ein Abendgymnasium besuchen.
11. Ist die Waldorfschule eigentlich teuer?
Es ist ein Prinzip der Waldorfschule, kein Kind aus finanziellen Gründen abzulehnen. Obwohl
Waldorfschulen erwiesenermaßen besser wirtschaften als Regelschulen, sind sie auf Elternbeiträge
angewiesen. Zwar besteht das Recht auf freie Schulwahl, aber die Zuschüsse der öffentlichen Hand
an die Privatschulen sind wesentlich niedriger als die Mittel, die sie für Regelschulen aufwendet. Im
Gespräch zwischen Eltern und Vertretern der Schule werden die Schulbeitrage so festgelegt, dass
diese einerseits den Notwendigkeiten des Schulbetriebes, andererseits ihren eigenen finanziellen
Möglichkeiten entsprechen.
12. Die Waldorfschulen nennen sich »freie Schulen«. Heißt das, dass die Kinder dort antiautoritär
erzogen werden?
Der Begriff »freie Schulen« bedeutet nicht, dass es keine Regeln gibt, sondern dass diese Schulen
eine weitgehende pädagogische Autonomie haben. Waldorflehrerinnen und -lehrer bauen in der
Unterstufe ein von »liebevoller Autorität« geprägtes Verhältnis zu ihren SchülerInnen auf. Kinder
suchen ihre Grenzen. Nur wenn sie diese von den Erwachsenen erfahren, fühlen sie sich einerseits
sicher und erleben sich andererseits als eigene Persönlichkeit. Im Laufe der Schulzeit wandelt sich
das Lehrer-Schüler-Verhältnis immer mehr zu einer umfassenden Lernpartnerschaft.
13. Warum haben die Kinder in den ersten acht Schuljahren nach Möglichkeit ein und denselben
Klassenlehrer, dieselbe Klassenlehrerin?
In einer Gemeinschaft, die von Beständigkeit und Rhythmus geprägt ist, können Kinder sich gesund
entfalten. Um ihnen darin eine verlässliche Stütze zu sein, begleitet ein Waldorf-Klassenlehrer,
eine Waldorf-Klassenlehrerin »seine« / »ihre« Klasse nach Möglichkeit sechs bis acht Jahre lang und
unterrichtet jeden Morgen mindestens die ersten beiden Stunden eines Schultags. In wechselnden
»Epochen« bringt er / sie den SchülerInnen jeweils über mehrere Wochen den Stoff unterschiedlicher
Themengebiete nahe. Dabei lernen KlassenlehrerInnen ihre SchülerInnen sehr gut kennen und können
individuell auf deren Stärken und Schwächen eingehen.
14. Was ist unter »Epochenunterricht« zu verstehen?
Während der ersten beiden Stunden eines Schultags arbeiten die SchülerInnen über mehrere Wochen
intensiv an jeweils einem Fachgebiet. So haben die SchülerInnen zum Beispiel drei Wochen
lang jeden Tag zwei Stunden Mathematik, Geographie, Deutsch, Geschichte oder ein anderes Fach.
Sie können sich auf diese Weise intensiv mit einem Stoffgebiet verbinden. Grundfertigkeiten wie
Rechnen oder Schreiben festigen die Schüler über den Epochenunterricht hinaus in fortlaufenden
Übungsstunden. Im Anschluss an den Epochenunterricht übernehmen FachlehrerInnen den Unterricht
in Sport, Fremdsprachen, Eurythmie, Religion, Musik und in den handwerklich-künstlerischen
Fächern.
15. Kann ein Lehrer/eine Lehrerin in allen Fächern überhaupt qualifiziert unterrichten?
KlassenlehrerInnen decken an einer Waldorfschule tatsächlich ein großes Spektrum an Fächern ab.
In besonderen Ausbildungswegen, die sie in einem Vollstudium oder postgraduiert im Anschluss an
eine Ausbildung an einem der Seminare oder an einer Hochschule mit Waldorfqualifikation durchlaufen,
werden sie gezielt darauf vorbereitet. Für Klassen-, Fach- und OberstufenlehrerInnen gilt gleichermaßen,
dass ihre Ausbildung mindestens gleichwertig zur staatlichen Ausbildung sein muss. In der Unter- und Mittelstufe
liegt der Schwerpunkt allen Lernens nicht nur auf der Vermittlung reinen Fachwissens, sondern es geht auch darum, den
SchülerInnen eine lebendige erfahrungsgesättigte Beziehung zu den Lerninhalten zu ermöglichen.
So kann Lernen Freude machen – ein Leben lang.
16. Wie werden die Jugendlichen in der Oberstufe auf die Berufswelt vorbereitet?
In der Oberstufe unterrichten in allen Fächern akademisch beziehungsweise handwerklich ausgebildete
LehrerInnen die Jugendlichen. Die praktischen Fähigkeiten, die die SchülerInnen sich über die
gesamte Schulzeit hinweg angeeignet haben, finden von der achten Schulstufe an Ergänzung durch
diverse Praktika statt: In einem Landwirtschafts- und einem Forstpraktikum, einem Feldmess-, einem
Betriebs- und einem Sozialpraktikum erhalten die SchülerInnen eine ausgesprochen lebensnahe Ausbildungsgrundlage.
Dabei liegt der eigentliche Sinn der Praktika nicht in der Berufsfindung, sondern
vor allem im Erüben sozialer und persönlicher Fähigkeiten.
17. Kommt die Vorbereitung auf die Abschlüsse nicht zu kurz, wenn an der Waldorfschule so viele
Praktika stattfinden, wenn Theater gespielt und handwerklich gearbeitet wird?
Die Erfahrung zeigt, dass die Prüfungsleistungen hierunter nicht leiden. Denn die Abschlussnoten
der WaldorfschülerInnen liegen im Durchschnitt mindestens auf dem gleichen Niveau, wie bei SchülerInnen
von staatlichen Schulen.
18. Werden die Kinder an der Waldorfschule weltanschaulich unterrichtet?
Die von Rudolf Steiner entwickelte Anthroposophie ist eine Erkenntnishilfe für die LehrerInnen, zu
keinem Zeitpunkt aber ist sie Gegenstand des Unterrichts. Da die Waldorfschule eine überkonfessionelle
Schule ist, entscheiden zunächst die Eltern, welchen Religionsunterricht ihr Kind besuchen soll.
Später entscheiden die Jugendlichen das dann selbst.
19. Was hat es mit dem Fach Eurythmie auf sich?
Eurythmie ist eine Bewegungskunst, die an Waldorfschulen unterrichtet wird. Im Unterschied zu
gymnastischen, pantomimischen oder tänzerischen Bewegungen, die völlig frei gestaltet werden
können, gibt es in der Eurythmie für jeden Buchstaben und jeden Ton eine ganz bestimmte Gebärde
– es handelt sich also um sichtbar gemachte Sprache und Musik. In der Lauteurythmie stellen die
SchülerInnen zum Beispiel dar, was in einem Gedicht an Lauten lebt, und in der Toneurythmie, was
in den Tonintervallen einer musikalischen Komposition lebt. Eurythmie ist aber nicht nur ein Unterrichtsfach
an den Waldorfschulen, sie ist auch Bühnenkunst und Bestandteil erfolgreicher Therapien.
20. Welche Rolle spielen die Naturwissenschaften an der Waldorfschule? Und wie stehen die Waldorfschulen zum Umgang mit dem Computer?
An der Waldorfschule stehen die naturwissenschaftlichen Fächer gleichgewichtig neben allen anderen
Unterrichtsfächern. Informatik ist fester Bestandteil im Lehrplan der Waldorfschulen. Waldorfschulen
legen allerdings Wert darauf, dass die Kinder die Welt zuerst mit ihren Sinnen erfahren und
daran ihr kreatives Potenzial und soziale Kompetenz entwickeln. In der Oberstufe ist der Umgang
mit der Soft- und Hardware für jede Waldorfschülerin und jeden Waldorfschüler eine Selbstverständlichkeit.
Eine PISA-Studie² zu den Naturwissenschaften bescheinigt WaldorfschülerInnen weit
überdurchschnittliche naturwissenschaftliche Kompetenzen und führte dies unmittelbar auf die
praktizierte Unterrichtsmethode zurück.
21. Was ist, wenn meine Familie umzieht?
In Österreich sind die Waldorfschulen in allen Bundesländern vertreten. Weltweit gibt es über 1000
Waldorfschulen, wobei jedes Jahr weitere Neugründungen dazukommen. Damit sind die Waldorf und
Rudolf Steiner – Schulen die größte überkonfessionelle pädagogische Bewegung der Welt. Eine
aktuelle Weltschulliste finden sie auf unserer Website (www.waldorf.at).
Quelle: Waldorfbund Österreich